Ho Chi Minn

Kita in Vietnam: Spiel- und Lebensräume von Kindern

Meine Reise durch die Bildungslandschaft von Halong City beginnt in den Bergen, rund 40 Autominuten von der Innenstadt entfernt. Ich besuche dort die beiden “Hoa Binh“-Vorschulen, was Frieden-Kindergärten bedeutet. Die beiden öffentlichen Einrichtungen für frühkindliche Bildung sind rund 45 Kilometer voneinander entfernt und werden von derselben Kita-Leitung betreut.

Kitas und Schulen in Vietnam sind durch ihr beschriftetes Eingangstor sowie teilweise durch kleine Fahnen und Flaggen deutlich gekennzeichnet und zeigen schon nach außen hin ihr offizielles Gesicht. Auch Ho Chi Minh, der häufig als Onkel Ho bezeichnet wird, und ein Kind umarmt, lächelt am Eingang der ersten Friedenskita auf die Ankommenden herab.

Kita Vietnam
Das Gebäude der Einrichtung sowie der großzügige Außenbereich können als typisch für vietnamesische Kindertagesstätten
gelten, ähnliche Fassaden und Außengelände konnte ich auch andernorts im Norden Vietnams entdecken.

Gemeinsamer Austausch zur frühkindlichen Bildung in Vietnam

Das Gespräch mit der Kita Leitung Frau Tam findet in einem festlich gestalteten Versammlungsraum statt. Auch einige pädagogische Fachkräfte sind anwesend. Es gibt hier neun Lehrerinnen in der Einrichtung, die alle einen Arbeitsvertrag mit der Regierung abgeschlossen haben. Wie Frau Tam berichtet, wird der Beruf der „Vorschullehrerin“ in der Regel ausschließlich von Frauen bestritten. Im besser bezahlten höheren Schulbereich beträgt der Männeranteil hingegen rund zehn bis zwanzig Prozent.

Das Bildungsministerium schreibt vor, dass alle pädagogischen Fachkräfte, also auch jene der frühkindlichen Bildung, ein Studium an der Universität durchlaufen. Zentrale Lehrinhalte für die frühkindliche Bildung sind dabei Schulmanagement und Finanzen, Psychologie, Bildungsangebote organisieren und gestalten, Mathematik, Kunst, Musik und Sprachen sowie didaktisch-methodische Ansätze der Vermittlung.

In den öffentlichen Vorschulen Vietnams gibt es eine vom Bildungsministerium fest vorgegebene Struktur und ein striktes Curriculum, dem alle Kitas folgen. Die Kinder im Alter von 3-5 Jahren werden hier beispielsweise insbesondere in der Sprachentwicklung und den mathematischen Vorläuferfähigkeiten gefördert. Die Vermittlungsmethodik kann dabei frei gewählt werden. Die pädagogischen Fachkräfte berichten, dass der Englischunterricht ebenfalls fest im Curriculum verankert ist. Auch in der Friedens-Kita wird Englisch gelehrt, was sich jedoch insofern als schwierig gestaltet, da in der Region über zehn Jahre hinweg keine Englisch sprechenden fremdstaatlichen Personen zugegen waren. Auch im Einzugsgebiet der Einrichtungen konnte, laut Aussagen der Lehrer*innen bisher niemand Englisch sprechen.

Versammlungsraum mit Ho Ch Minh-Büste
Versammlungsraum mit Ho Chi Minh-Büste in der Hoa Binh-Vorschule
Esssituation Kita Vietnam
Essensituation der Hoa Binh-Vorschule

Der Tagesablauf in den Frieden-Kitas

Ab 06:45 Uhr werden die Kinder von ihren Eltern in die “Hoa Binh“-Vorschule gebracht und bleiben dort bis 17:00 Uhr. Für ein gemächliches Ankommen gibt es zunächst eine Begrüßungsphase von ein bis zwei Stunden. Danach können sich die Kinder verschiedenen Themenbereichen zuwenden, gefolgt von Outdoor Aktivitäten. Die Kinder essen gemeinsam und schlafen im Anschluss bis 14:00 Uhr. Danach folgt ein weiteres Lernarrangement als Gruppenaktivität bis die Eltern ihre Kinder wieder abholen. Die Lehrerinnen sehen die Eltern in den Bring- und Abholzeiten täglich und können sich dann mit ihnen über die Kinder und ihre Entwicklung austauschen.

Die beiden Friedens-Vorschulen in den Bergen sind die einzigen Kindertagesstätten in der Region. In der einen Kita gibt es derzeit 58 Kinder, in der Kita der Nachbargemeinde 48 Kinder. Die Regierung stellt jeweils die Gebäude zur Verfügung. Auch im Bereich der digitalen Bildung scheinen vietnamesische Kitas gut ausgestattet zu sein. Die Gegebenheiten hier in den Bergen weichen jedoch deutlich von den Kitas in der Innenstadt von Halong City ab.

Da es jeweils arme Gemeinden sind, in denen sich die Frieden-Vorschulen befinden, haben die beiden Einrichtungen wenig Material zur Verfügung und arbeiten viel mit Recycling. Zahlreiche Spielsachen werden, wie die pädagogischen Fachkräfte berichten, vielfach von ihnen selbst hergestellt. Einiges wird von den Kindern gestaltet.

Recycling-Spielmaterialien Kita Vietnam
Von den pädagogischen Fachkräften selbst gestaltete Recycling-Spielmaterialien, angeordnet auf Augenhöhe der Kinder

Familiäre Lebenswelten und Sozialraumorientierung

Auch die hier ansässigen Familien sind meist sehr arm und arbeiten in den Bergen. Viele der Menschen, die hier leben, sind asiatischen Minderheiten zugehörig. Insgesamt gibt es in Vietnam 54 indigene Ethnien. In die beiden Friedenskitas kommen vorwiegend Kinder der Yao-Minorität, die auch als Dao bezeichnet wird. Die Dao-Minderheit gilt mit rund 750.000 Menschen als die neuntgrößte Minderheit in Vietnam, deren Religion und Kultur ursprünglich auf dem Taoismus fusst.

Die Yao Minorität blickt auf eine lange Geschichte und Kultur zurück, hat sich bis heute eigene Gebräuche bewahrt und ist speziell für ihr traditionelles medizinisches Wissen bekannt. Die Yao-Minoritäten leben auch in China, Laos, Myanmar und im Norden Thailands. Sie zählen zu den Bergvölkern und sprechen neben der jeweiligen Landessprache ihre eigene Sprache. Da der Kindergartenbesuch in Vietnam nicht verpflichtend ist, entscheiden sich nicht alle Eltern dazu, ihre Kinder in die Vorschule zu bringen. Je nach der Kultur und den Werten der Minderheiten sowie nach der jeweiligen Familienkultur werden ihre Kinder zum Teil direkt in die Grundschule eingeschult. Die Vorschulen bemühen sich deshalb darum, die Familien zu erreichen und auf die Vorteile der Vorschulpädagogik aufmerksam zu machen.

Frau der Dao Minderheit
Mädchen aus der Dao Do Ethnie Gemälde von Huang Kiêt, 1961
Ruhezeit Schlafraum Kita Vietnam
Kinder kurz vor der Ruhezeit in ihrem Schlafraum

Neue pädagogische Entwicklungen

Frau Tam berichtet, dass die Montessori-Pädagogik als neue Strömung in Vietnam sehr beliebt ist, bisher jedoch vorwiegend in privaten und städtischen Kindergärten Einzug hält. Frau Tam hofft, dass die Regierung bald auch Montessori-Methoden in den öffentlichen Einrichtungen fördern wird, damit auch die beiden Frieden-Vorschulen davon profitieren können und individuelles Lernen und Partizipation nach und nach mehr praktiziert und im Curriculum verankert werden kann.

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